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StartseiteDer Fall Evergrande

Der Fall Evergrande

Nicht fertiggestellte Hochhäuser und leer stehende Wohnkomplexe - die traurige Realität in diversen chinesischen Provinzstädten. Ob sich das so schnell ändern wird, ist fraglich. Dabei braucht der Bauherr Evergrande das Geld aktuell besonders dringend.
Der Fall Evergrande

Welche Rolle spielt der chinesische Regulator?

Die Evergrande Group ist nicht nur der zweitgrößte Immobilienentwickler Chinas, sondern auch das meistverschuldete Unternehmen der Welt und hat durch seine Finanzierungsprobleme in den letzten Wochen für zahlreiche negative Schlagzeilen gesorgt. Einige Marktbeobachter sprachen sogar schon vom nächsten “Lehman-Moment”. Aber woran liegt das?

Das Problem sind die deutlich zu hohe Verschuldung und enorm verschärfte Regularien durch den chinesischen Staat. Staatspräsident Xi Jinping verfolgt seit einiger Zeit eine politische Agenda, in welcher der sozialistische Gedanke eines “Gemeinsamen Wohlstands” oberste Priorität hat. Da die Ungleichheit in China in den letzten Jahren stark angestiegen ist, greift die Regierung immer häufiger in die Wirtschaft ein. Diese härtere regulatorische Gangart machte sich besonders in den letzten Monaten bemerkbar. In der nachfolgenden Grafik ist gut zu erkennen wie es zu einem deutlichen Anstieg an regulatorischen Eingriffen seit Mitte dieses Jahr kam. Den verstärkten Regulierungsansatz, den Xi verfolgt, bekamen gleich mehrere Branchen zu spüren, sei es Technologie, Bildung oder eben der Immobiliensektor. Mit dem Leitsatz “Wohnen ist zum Leben, nicht zum Spekulieren” wurde im August 2020 die “drei rote Linien”-Regel eingeführt. Diese besagt, dass das Verhältnis der Verbindlichkeiten zu Vermögenswerten unter 70 Prozent liegen muss, der Nettoverschuldungsgrad nicht höher als 100 Prozent sein darf und das Verhältnis von liquiden Mitteln zu kurzfristigen Verbindlichkeiten größer als Faktor eins sein muss. Genau diese Vorgaben sind es, welche Evergrande so belasten.

 

regulatorische Eingriffe China
Quelle: Ginmon, Bloomberg; Stand: 15.09.2021

Evergrande wurde 1996 im südchinesischen Guangzhou gegründet. Bis heute betreut der zweitgrößte chinesische Immobilienentwickler mehr als 1.300 Projekte in mehr als 280 Städten in ganz China. Doch die Evergrande-Gruppe umfasst weit mehr als nur Immobilienentwicklung. So erstreckt sich der Geschäftsbetrieb über ein eigenes Mineralwasser, Baby-Milchpulver, das Öl- und Getreidegeschäft,  bis hin zu Solarmodulen und einem eigenen Fußballclub mit angeschlossener Fußballschule. Um schnell wachsen zu können, nahm Evergrande aggressiv Fremdkapital in Höhe von mehr als 300 Milliarden US-Dollar auf.

Durch die “drei rote Linien”-Regel wurde eine solch hohe Verschuldung jedoch unmöglich gemacht, Evergrande musste Immobilien mit erheblichem Rabatt anbieten, um der neuen Regulatorik entsprechen zu können. Dieser schlagartige Wandel löste eine Kettenreaktion aus, denn aufgrund der drastisch gesunken Einnahmen hatte Evergrande Mühe, seine Zinszahlungen für die vorher aufgenommenen Schulden zu begleichen. Bereits im Jahr 2020 wurden die chinesischen Behörden über im Januar 2021 anfallende Zahlungen informiert, welche eine Liquiditätskrise verursachen könnten. Abgewandt konnte diese nur werden, weil eine Gruppe von Investoren auf ihre Zahlungen von insgesamt 13 Milliarden Dollar verzichtete. Dieser Aufschub war jedoch nur temporärer Natur, am 16. September 2021 fielen Zinszahlungen in Höhe von 84 Millionen US-Dollar für Offshore-Anleihen an, welche Evergrande wieder nicht bezahlen konnte. Selbiges am Dienstag darauf. Hier wurden nochmals 47,5 Millionen US-Dollar nicht bezahlt. Der Konzern hat derzeit einen Zahlungsaufschub von 30 Tagen, um die fehlenden Zahlungen zu leisten.

Aktienkursentwicklung Evergrande
Quelle: Ginmon, Bloomberg; Stand: 30.09.2021

Warum ist der Markt aktuell so besorgt?

Ein potenzieller Zusammenbruch von Evergrande könnte laut einigen Marktbeobachtern der nächste “Lehman-Moment” sein. Diese Bezeichnung beruht auf der starken Verstrickung Evergrandes im chinesischen Bankensystems. Der Konzern schuldet rund 171 chinesischen Banken und weiteren 121 chinesischen Finanzunternehmen Geld. Die Befürchtung ist, dass ein Zusammenbruch von Evergrande den chinesischen Bankensektor zum Straucheln bringen und so eine Finanzkrise anstoßen könnte – ähnlich wie 2008 die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers. 

Zusätzlich ist die wirtschaftliche Entwicklung Chinas zu großen Teilen vom Immobiliensektor abhängig. Die Wirtschaft Chinas beruht laut Schätzungen zwischen 20 und 25 Prozent auf dem Immobiliensektor. Bricht nun der zweitgrößte Immobilienentwickler des Landes zusammen, hätte dies einen enormen Effekt auf die chinesische und damit auch die Welt-Wirtschaft. Doch sind diese Sorgen überhaupt berechtigt?

Warum Evergrande kein “Lehman 2.0” ist

1. Evergrandes Schulden stellen weniger als 0,4% der Kredite im chinesischen Bankensystem dar

Ein genauerer Blick auf das Schuldenprofil von Evergrande schafft Klarheit in Bezug auf mögliche Risiken. Beispielsweise stellen die gesamten verzinslichen Schulden des Unternehmens lediglich etwa 0,36 % der gesamten Kredite des chinesischen Bankensystems dar. Und selbst wenn Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung als Schulden berücksichtigt werden, machen diese noch immer weniger als 1 % der Kredite des chinesischen Bankensystems aus. Zusätzlich wird ein erheblicher Teil der Onshore-Kredite durch Evergrandes Immobilienvermögen gedeckt, welches mit über 250 Milliarden US-Dollar bilanziert wird. Dies ist nicht gerade ein Indikator dafür, dass ein Zusammenbruch von Evergrande chinesische Banken in die Insolvenz treiben würde.

2. 50% der Schulden sind gegenüber Lieferanten und Hauskäufern

In etwa die Hälfte der Schulden von Evergrande sind bei Lieferanten und Hauskäufern angefallen. Dies bedeutet, dass die Hälfte aller Schulden nicht in direktem Zusammenhang mit dem chinesischen Bankensystem stehen. Dies relativiert ebenfalls die Befürchtungen vor einer globalen Finanzkrise.

3. Der Staat kauft Zeit für eine Restrukturierung

Der chinesische Staat wird Evergrande vielleicht nicht retten, Zeit hat er dem Unternehmen aber dennoch verschafft: Die chinesische Zentralbank (Peoples Bank of China) hat dem chinesischen Bankensystem umgerechnet über 18 Milliarden Dollar an liquiden Mitteln zugefügt, um systematische Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Dadurch nahm der Regulator schon früh Stress aus dem System und kaufte Evergrande Zeit für eine Restrukturierung. In der Zwischenzeit konnte Evergrande 10 % seiner Anteile an der Shengjing Bank an ein chinesisches Staatsunternehmen verkaufen. Durch den Verkauf wurden 1,5 Milliarden US-Dollar generiert, welche zur Tilgung von Schulden genutzt werden können. Die Tatsache, dass ein Staatsunternehmen Evergrande Vermögenswerte abkauft, zeigt, dass der Staat gewillt ist, die Restrukturierung zu unterstützen. Weitere wichtige Liquidität wird der Evergrande Gruppe durch den geplanten Verkauf von 51 %  des eigenen Immobilienverwaltungs-Geschäfts zufließen. Das geplante Transaktionsvolumen beträgt 5,1 Milliarden US-Dollar. 

4. Provinzregierungen sind stark von Einnahmen durch Landverkäufe abhängig

In den vergangenen Jahren haben sich Landverkäufe zu einem essenziellen Treiber von Steuereinnahmen der chinesischen Provinzen entwickelt. Beispielsweise machte der Verkauf von Grundstücken durch Kommunen bis zu 35 % ihrer Gesamteinnahmen im Jahr 2018 aus. Ein eventueller Zusammenbruch des Immobilienmarktes würden diese Steuereinnahmen gefährden.

5. Konjunkturprogramm für chinesische Wirtschaft sehr wahrscheinlich

Essenziell für die in China vorherrschende Planwirtschaft ist, dass die wirtschaftliche Stabilität an erster Stelle steht. Dies bedeutet auch, dass das jährlich zu erreichende Wirtschaftswachstum zentral vorgegeben wird. Kommt es nun zu außergewöhnlichen Ereignissen, wie etwa einem potenziellen Zusammenbruch von Evergrande mit all seinen Folgen, wird China aller Wahrscheinlichkeit nach nicht tatenlos zusehen. Konjunkturprogramme zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen sind daher zu erwarten.

6. Evergrandes Schulden sind ein lokal chinesisches Problem

Bei dem enormen Schuldenberg von Evergrande ist nicht zu vernachlässigen, dass Investoren außerhalb Chinas durch die Schuldenprobleme Evergrandes so gut wie gar nicht beeinträchtigt sind. Gerade einmal etwas über 6 % der Gesamtschulden entfallen auf aus dem Ausland kommende Geldgeber. Die absolute Mehrheit der betroffenen Gläubiger hat ihren Sitz in China, wodurch eine Ausbreitung auf das globale Finanzsystem wenig wahrscheinlich ist. Auch dies erhöht die Wahrscheinlichkeit von Stützungsmaßnahmen seitens der chinesischen Regierung.

Was wird am wahrscheinlichsten passieren?

Selbst wenn Evergrande zusammenbrechen sollte, würden sich die Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte in Grenzen halten – ein “Lehman 2.0” ist Evergrande nicht. Da Evergrande jedoch ein Risiko für das chinesische Wirtschaftswachstum darstellt, ist die kommunistische Partei aktuell unter Zugzwang. Beobachter gehen davon aus, dass die chinesische Regierung an Evergrande ein Exempel statuieren könnte, dass kein Unternehmen “too big to fail” ist. Damit würde auch eine klare Nachricht an andere hochverschuldete Immobilienunternehmen gesendet werden, welche die “drei-rote-Linien”-Regel derzeit nicht einhalten. China ist also weniger an einer Rettung interessiert, sondern vielmehr an der Begrenzung von Schäden am System. Oberstes Ziel ist hierbei eine stabile Wirtschaft, ohne die das ausgegebene Ziel des “Gemeinsamen Wohlstands” nicht zu erreichen ist. Daher ist eine Stützung des chinesischen Bankensystems in Tandem mit Konjunkturprogrammen zur Stützung des Wirtschaftswachstums das wahrscheinlichste Szenario.

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¹ Zielrenditen sind Prognosen und kein verlässlicher Indikator für künftige Wertentwicklungen.

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